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Von der schönen Mira

Wenn man von Pernitz weiter talaufwärts wandert, sieht man zur linken Hand den Petersberg. Auf seinem Gipfel stand vor vielen, vielen Jahren eine stattliche Burg mit mächtigen Türmen und dicken Mauern. In Ihr lebte ein alter Graf mit seinem Sohn Heinrich. Der Alte war stolz und mürrisch; er gab Pechern und Bauern keine Antwort, wenn sie ihn grüßten.

Wo heute das Marientaler Wirtshaus steht, stand damals ein Bauernhaus. Der Bauer hatte eine schöne Tochter, die Marie hieß. Die Leute nannten sie „Mirl“. Dem jungen Grafen gefiel das schöne Mädchen, und er hätte es gerne geheiratet.

Eines Tages, es war Winter, saß er mit seinem Vater in einem Zimmer der Burg. Dicke Holzscheitel prasselten im offenen Kamin, aber es war nicht warm in dem Raum, denn durch die Fugen der mit Brettern verschlagenen Fenster pfiff der Wind, daß die brennenden Kerzen auf dem mächtigen Tisch flackerten.

Da sprach der Graf: „Heinrich, du bist jetzt beinahe 30 Jahre alt, bring eine Frau auf die Burg, ich möchte sie doch gerne sehen, bevor ich sterbe!“ Der junge Graf freute sich, als er das hörte, und antwortete: „Ich habe schon gewählt, Vater.“ „Wer ist es?“ „Die schöne Mirl vom Dorf unten.“ Zuerst saß der Graf ganz starr, so war er erschrocken; dann schlug er mit der Faust auf den Tisch und schrie: „Nie und nimmer heiratest du eine Bauerndirn. Wenn du aber nicht folgst, jag ich dich davon und du bekommst weder Burg noch Geld, merk dir das!“ Dann ging er in seinen Schlafraum. Von der Mirl wurde von diesem Tag an nicht mehr gesprochen.

Nach etlichen Wochen starb ganz plötzlich der alte Graf. Der junge erbte die Burg und einen großen Besitz und heiratete, als die Trauerzeit vorüber war, die schöne Mirl. Während diese früher freundlich und hilfsbereit war, wurde sie jetzt unfreundlich zu den Leuten und hochmütig. Sie hieß nicht mehr die Mirl, die Leute mußten Gräfin Mira sagen.

Eines Tages blieb sie vor dem Bild der heiligen Maria, das an einem Baumstamm hing, stehen, schaute es von allen Seiten an und sprach: „Du bist wohl schön, heilige Maria, aber noch lange nicht so schön wie ich.“ Kaum hatte sie diese frevelnden Worte gesprochen, taten sie ihr leid, und sie fing am ganzen Körper zu zittern an. Plötzlich wurde es dunkel, die Sonne verschwand hinter schwarzen Wolkenballen, von Pernitz her brauste ein heftiger Sturm und trieb Staub und Blätter und Zweige vor sich her.

Er hob die schöne Mirl empor und trug sie gegen den Unterberg. Dort öffnete sich ein Fels, nahm die Frevlerin auf und schloß sich dann wieder. Im Innern des Berges büßte sie ihren Hochmut und ihre Lästerworte.

Sehen kann man die schöne Mirl nicht, wohl aber hören. An stillen Abenden weint sie bitterlich. Ihre Tränen fließen bei der Miralucke heraus und bilden den Mirabach und die Mirafälle bei Pernitz.